Ich lese im Moment das Buch „Jein!: Bindungsängste erkennen und bewältigen. Hilfe für Betroffene und deren Partner“ von Stefanie Stahl. Sehr interessant und kann ich nur empfehlen.
Nun habe ich gestern gelesen das Bindungsängstler nicht nur in der Beziehung gern auf der Flucht sind, sondern auch mit ihrer allgemeinen Wohnsituation. Sie richten sich gern so ein das sie möglichst schnell ‚fliehen‘ können. In ihren Wohnungen hat man oft das Gefühl es ist kühl eingerichtet und sehr spärlich. Wenig persönliche Sachen bzw. minimalistisch. Oder gleich ganz ein Nomadenleben.
Damit wurde eine andere Frage beantwortet bzw. die Frage aufgeworfen: „Verdammt… lebe ich deswegen auf Rädern?“.
Nun muss ich natürlich dazu sagen das ich seit 3 Jahren in einem LKW leben. Also das Optimum was eigentlich nur geht. Schneller kann man gar nicht – mir seiner Wohnung – fliegen als mit Rädern unter der ganzen Wohnung.
Auch wenn ich so zurück blicke. Oft habe ich in Wohnungen nicht mal alle Einzugskartons ausgepackt, auch wenn ich schon Monate in der Wohnung lebte. Oder ich war so spärlich eingerichtet… das definitiv keine gemütliche, wohnliche Atmosphäre aufkommen konnte.
Ich konnte meine Sachen immer innerhalb weniger Stunden packen. Schränke hatte ich meist auch kaum. Ich hatte auch nie das Bedürfnis mir welche zu kaufen. Hätte ja eh nichts gehabt was ich hätte reinstellen können.
Im Jahr 2013 habe ich – mit einer Bekannten – einen Road Trip gemacht. Wir sind über 2 Monate in einem Mini-Van durch Europa gefahren. Und da reifte die Idee … eigentlich die Vision … das mal länger zu machen. Es ging mir so unglaublich gut auf dieser Reise. Das Gefühl / die Erfahrung wollte ich länger haben. Dann bin ich aber mit meiner Ex-Ex-Freundin zusammen gekommen. Sie konnte sich das aber auch vorstellen… so irgendwie. Und wir sind erst einmal in eine Wohnung gezogen und haben dann ein Fahrzeug gekauft und angefangen es auszubauen (da war die Beziehung aber schon stark am „bröckeln“).
Wer immer mich nach meinem Lebensstil gefragt hat, habe ich gesagt das ich das von langer Hand geplant habe und definitiv machen will. Die Leute (insbesondere meine Eltern) haben versucht es mir auszureden („…mach mal was vernünftiges…“ oder „…so kann man doch nicht Leben…“, etc.). Keine Chance. Ich will das so und mache das. Ich lasse mich nicht davon abbringen weil ich an meinen Traum glaube und das ich die Reise machen will.
Losgefahren bin ich – bis jetzt – nicht. Stehe an einem Ort und Lebe in meiner 13m² Wohnung auf Rädern. Wollen und tun sind noch immer 2 verschiedene Dinge. Was hindert mich? Angst. Immer ist es Angst. Angst das dass Fahrzeug unterwegs kaputt gehen könnte und Geld ist sowieso nicht da. Weder für Reparaturen noch für Sprit.
Und irgendwann wird es – auch innerlich – zu eng. Die Decke fällt einem auf den Kopf. Ich habe immer öfter das Gefühl das mich der kleine Raum erstickt. Das ich hier raus muss.
Aber ich schweife ab. Die Kernfrage ist jetzt: Ist es – primär – die Bindungsangst die mich zum Leben in einem Fahrzeug bewegt?
Natürlich nicht nur. Natürlich habe ich den Traum mit meiner Wohnung durch Europa zu reisen. Aber ist da auch zum großen Teil die Bindungsangst dabei? (Gott, ich habe gerade ein Deja-vu, das ich das hier schon mal geschrieben habe. Diese Momente sind spooky… egal, weiter im Text).
Ist der Traum vom Reisen irgendwann nur ein Mittel zum Zweck geworden, um mir hier eine Ultimative Fluchtmöglichkeit zu erschaffen?
Die Antwort auf die Frage habe ich noch nicht. Aber ich weiß das steckt ein „Ja“ mit drin.
Natürlich bin ich Mega stolz auf mich, was ich hier geschaffen habe. Ich habe allein eine Wohnung auf Rädern gebaut (also der Ausbau, nicht das Fahrzeug selbst… klar). Ich lebe sehr minimalistisch. Nicht nur was mein Hab und Gut angeht. Auch was meinen Wasser- und sonstigen Ressourcenverbrauch anbelangt. (Ja, ich Dusche. Aber nutzte dabei z.B. nicht so viel Wasser als in einer Dusche in einer Wohnung… einfach weil meine Ressourcen begrenzt sind.)
Und jetzt das „Aber“… ich will hier nicht raus. Ich fühle mich wohl hier – obwohl ich mich eigentlich unwohl fühle (zu klein). Ich hätte in eine Wohnung ziehen können, als ich realisiert habe, das ich so schnell nicht zum losfahren komme. Es ist mein Haus, mein Reich… nichts gemietet oder so. Meins.
Es ist auch schwerer eine Partnerin zu finden, wenn man in einem Fahrzeug lebt. Stell dir mal vor dein Date sagt dir „Ich lebe in einem Wohnmobil.“… was denkt man da bitte? „Der ist ein Penner. Kann sich keine Wohnung leisten. Duscht der überhaupt? Muss der abgefuckt sein.“ … Kommt nicht so gut. Und ist genau das eigentlich der Plan? (Obwohl ich das „Problem“ ja gerade nicht habe.)
Ich habe meinen Rückzugsort. Und vielleicht weigere ich mich deswegen auch so sehr ihn wegzugeben. Es stand ja schon mal im Raum mit meiner (Ex-?)Freundin zusammen zu ziehen. Aber was wird dann mit dem Womo? Ich müsste ihn verkaufen. (Vom rumstehen wird er nicht besser und im Winter würde er einfrieren.) Das wiederstrebt mir absolut.
Also… ich sabbere schon wieder zu viel.
Ich habe aktuell keine eindeutige Antwort. Aber die Bindungsangst spielt in meine Wohnsituation definitiv mit rein. Nur wie stark, das muss ich noch rausfinden. Ich muss darüber weiter nachdenken und es analysieren bzw. meine Beweggründe reflektieren.
Das ist auch eine schwierige Sache. Seine eigenen Beweggründe wirklich real zu reflektieren. Was ist es wirklich was einen zu dem und das Bewegt hat. Man sollte ja nicht gleich die nächsten Rückschlüsse in die falsche Richtung ziehen. Dann landet man wieder nicht bei der Wahrheit.